HARTE MUCKE IN DER DDR

die offizielle Spielerlaubnis für Musiker in der DDR (Quelle: www.macbeth-music.de) Harte Sounds hatten sich eigentlich schon in den Siebzigern in der DDR breit gemacht, als sich DIE PUHDYS noch an musikalischen Vorbildern wie DEEP PURPLE, URIAH HEEP oder LED ZEPPELIN orientierten. Auch andere bekannte Bands frönten phasenweise dem harten Sound, wobei ich hier stellvertretend nur CITY und die Gruppe MAGDEBURG erwähnen möchte. Mit der Zeit wurden es immer mehr Combos, die die Gitarren in den Vordergrund stellten und so zählten BERLUC, PRINZIP, das JOCO-DEV-SEXTETT und die frühen BABYLON zu den Wegbereitern der Hartwurst-Szene in der DDR. Anfang der Achtziger orientierten sich dann aber immer mehr Bands an der "New Wave Of British Heavy Metal", die im Westen ihrem Höhepunkt zustrebte. FORMEL 1 gingen diesen Weg als erste, doch recht bald folgten ihnen immer mehr ambitionierte Musiker. Aber alle in der DDR aktiven Bands, die Konzerte geben oder im Rundfunk gespielt werden wollten, mußten sich einer "Einstufungs-Kommission" stellen, die dann darüber entschieden hat, ob hier sozialistisches Kulturgut dargeboten wurde oder nicht. So entstanden Logo von ARGUS, die sich in MOSHQUITO umbenennen mußten Mitte der 80er Jahre mindestens 150 ostdeutsche Amateur-Heavy-Bands, die dem von den Kultur-Behörden ungern gesehenen Heavy-Genre frönten. Die "Heavy-Stunde" im DDR-Jugendradio DT 64 war für die meisten Bands die einzigste Möglichkeit, ihre eigenen Songs dem geneigten Publikum vorzustellen. Die Bands hatten natürlich auch gewisse Soundvorstellungen und wollten wie die "Großen" aus dem Westen klingen, doch selbst wenn man entsprechende Equipment besaß, scheiterte es doch meistens am fehlenden Know-How und an einem fähigen Produzenten. Zumal Heavy Metal erst 1987 bei Amiga aktuell wurde, nachdem sich das Monopol-Plattenlabel der DDR auf eine Kooperation mit dem Rundfunk einließ. Demzufolge erschienen nicht sehr viele Heavy Metal-Platten in der DDR, die ich euch aber der Vollständigkeit halber hier mal alle aufzählen möchte:
- DEEP PURPLE "Made In Japan" (eine Compilation mit dem bisherigen Schaffen der Band, die 1977 bei Amiga erschienen)
- AC/DC "Highway To Hell" (die Erfolgs-LP aus dem Jahre 1979, als Lizenz-Platte 1981 bei Amiga erschienen)
- FORMEL 1 "18 Jahre sein" (Single mit zwei Aufnahmen aus dem Jahre 1984, jedoch erst 1985 erschienen)
- FORMEL 1 "Live imStahlwerk" (Live-Aufnahmen vom März 1986, im Oktober 1986 veröffentlicht)
- BABYLON "Geisterstunde" (Single mit zwei Studio-Produktionen aus dem Jahre 1986)
- Sampler "Kleeblatt Nr. 22" mit PLATTFORM, MCB und COBRA (Aufnahmen von 1987, die 1988 erschienen)
- BABYLON "Dynamit" (Studio-Aufnahmen von 1986 bis 1988, aber erst 1988 erschienen)
- BIEST "Crash Trash" (eine sogenannte Amiga-Quartett-Single, erschienen Anfang 1989)
- Sampler "Speed Up - Heavy News" mit MERLIN, METALL und HARDHOLZ (erschien 1989 beim Amiga-Nachfolge-Label Zong)

Aufkleber von MCB aus dem Jahre 1985 Selbst die damals renomierten Hard Rock-Bands wie BERLUC und PRINZIP mußten erst Hit um Hit in den Charts des Rundfunks landen, bevor ihnen eine Album-Produktion bewilligt wurde. Die beste Möglichkeit, harte Mucke in der DDR zu hören, waren die auch nicht gerade reichlich vorhandenen Konzerte. Auch wenn Live-Auftritte von den Veranstaltern gerne mit fadenscheinigen Begründungen abgesagt wurden oder den Bands einfach nur die polizeiliche Genehmigung vesagt blieb, so waren die Konzerte doch der Dreh- und Angelpunkt der Szene. Denn dort wurde nicht nur der Musik gelauscht, sondern es fand auch ein reger Austausch an Meinungen und Erfahrungen sowie Tonträgern und West-Zeitschriften statt. Tapetrading war in der DDR die einzigste Möglichkeit, sich ein Bild von der stetig wachsenden internationalen Metal-Szene zu machen. Und fast alle Bands griffen ja auch auf Cover-Versionen der angesagtesten Bands aus dem Westen zurück, die sie meistens in mühevoller Kleinarbeit einstudiert hatten, nachdem sie sich die Noten für diese Songs aus Kassetten-Aufnahmen heraushörten.
Auch mit den Texten hatte man kein leichtes Spiel. Die Songs mußten in deutscher Sprache vorgetragen werden, was in den Achtzigern selbst im Westen noch Aufkleber von METALL zur Tour 1987/88 verpöhnt war. Desweiteren mußten sie in das Leitbild der sozialistischen Gesellschaft passen, also waren zum Beispiel genretypische Splatter-Texte und natürlich systemkritische Lyrics tabu. Auf die Frage, ob und wieso man sich die Texte bestätigen lassen muß, bekam ich im Oktober 1987 von Detlef Kotte (PLATTFORM) folgende Antwort: "Ja, damit wir die passenden Themen unserer Zeit aufgreifen. Zur Zeit muß man zum Beispiel nicht gegen Atomwaffen singen, wo die Kumpels sich ja bemühen. (Anmerkung des Webmastes: Gemeint waren damalige Abrüstungs-Verhandlung.) Dann sind aber belehrbare Texte (sogenannte Zeigefinger-Texte) nicht mehr aktuell. Dann müssen wir aufpassen, daß die Texte, die Micky singt, ihr von den Zuhörern auch abgenommen werden, also sie müssen zu ihr passen. Das alles und noch viel mehr muß beachtet werden und dabei beraten die Lektoren uns. Und letztendlich bestimmen sie, was geht und was nicht. Es ist sehr schwierig." Das war jetzt zwar "Stasi-sicher" formuliert, aber es wird deutlich, mit welchen Schwierigkeiten die Textschreiber zu kämpfen hatten. Selbst renomiertere Bands wie FORMEL 1 bekamen immer wieder Absagen für Texte, die der Obrigkeit nicht gepaßt haben.
Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, daß viele Musiker vorzeitig das Handtuch warfen und teilweise sogar einen Ausreise-Antrag stellten. Als bekanntestes Beispiel sei hier mal die Band FORMEL 1 erwähnt, dessen Sänger Norbert Schmidt mir im Februar 1988 auf eine Fanpost-Anfrage meinerseits folgendermaßen antwortete: "Nach langer und reiflicher Überlegung haben Paule (der Drummer von FORMEL 1 - der die erste richitge Metal-Band der DDR war FORMEL 1 Webmaster) und ich beschlossen, die Seiten zu wechseln. Grund: Keine Chance für FORMEL 1 weiterzukommen, da die Offiziellen unserer Kreativität nur Passivität entgegenhielten. Heavy Metal ist nur ein geduldetes Übel. So hart das klingt, aber das ist meine ehrliche Einschätzung und ich habe in diesem Land die Beat- & Rockszene mit aufgebaut (mit dem JOCO-DEV-SEXTETT - der Webmaster). Weil die Leute, die zu Heavy Metal-Konzerten gehen, nicht so richtig in das frohe Jugendleben der DDR passen, ist die Musik von den Leuten, die was zu melden haben (Kultur-Mafia) zum Scheitern verurteilt. Der Rundfunk erfüllt nur eine Alibi-Funktion. Harte Worte, aber wahr. Die heutigen Vorurteile gegenüber Heavy Metal erinnern mich sehr stark an die 60er & 70er Jahre."

Das war zwar nur ein kurzer Abriß über die Widrigkeiten, mit der Ostmetal-Bands zu kämpfen hatten, aber ich hoffe, euch damit einen recht guten Überblick gegeben zu haben. Wenn ihr etwas genauer wissen wollt, dann lest doch bitte meinen Artikel "Heavy Metal in der DDR - Die Geschichte des Ostmetals", welchen ich für die erste Ausgabe des "Eisenblatt"-Fanzines geschrieben habe.
Unser Freund Michael "Fidel" Reibetanz hat für sein Soziologie-Studium eine Magisterarbeit über Heavy Metal-Fans in der DDR mit dem Titel "Jugendsubkutur in der DDR - Eine qualitative Untersuchung zu Anhängern der Musikrichtung Heavy Metal" verfaßt, die Ihr Euch hier herunterladen und zu Gemüte führen könnt.

Quellen: Liner-Notes der CD "Die DT 64-Story (Vol.2)" und der CD "Geil auf Heavy Metal", Fanpost-Anfragen, eigene Aufzeichnungen
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